Statt eines Jahresberichts: Die UB Dortmund im Pandemiejahr
2020: Das Jahr des Virus
Das Corona-Virus, das seit mehr als einem Jahr die ganze Welt vor ungeheure Herausforderungen stellt, hat uns im März 2020 mit voller Wucht erwischt. Der normale Universitätsbetrieb wurde eingestellt und auch die Universitätsbibliothek musste ab 16. März schließen. Alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der TU Dortmund mussten sich an die Arbeit im Home-Office gewöhnen, die Studierenden mit Beginn des Sommersemesters im April an einen digitalen Lehrbetrieb. Diese zuerst ungewohnte Art zu studieren, zu lernen und zu arbeiten, sollte uns noch sehr viel länger begleiten, als es zu Anfang vorstellbar war.
In der UB wurde aber sofort damit begonnen, die Literaturversorgung mit digitalen Medien zu optimieren und gedruckte Medien auf improvisierten Wegen bereitzustellen. Sobald es rechtlich möglich und vertretbar war, wurden auch Lernarbeitsplätze und Services vor Ort wieder angeboten, auf die veränderten Rahmenbedingungen der Pandemie wurde immer flexibel und schnellstmöglich reagiert. Die Sicherheit aller und die bestmögliche Unterstützung von Forschung und Lehre waren dabei leitende Prinzipien. Ohne Frage ein Kraftakt, der ohne das Engagement und die hohe Motivation der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Bibliothek gar nicht zu stemmen gewesen wäre.
Der nächste Schritt der Digitalisierung
Die Universitätsbibliothek war mit ihrem seit Jahren immer weiter ausgebauten digitalen Angebot für den unerwarteten Lockdown bereits gut gerüstet. Schon vor der Pandemie hat die UB ca. 85 % ihres Budgets für elektronische Medien aufgewendet, deren Nutzungszahlen zu den bundesweiten Spitzenwerten gehören. Hilfreich war es auch, dass die UB in den letzten Jahren ihr Metadatenmanagement ausgebaut hat und anders als viele andere Bibliotheken dafür sorgen konnte, dass die große Zahl an neuen elektronischen Medien fast vollständig im Katalog such- und aufrufbar ist. Die Überlastung des VPN-Zugangs konnte die UB deshalb abfedern, weil sie schon vor der Pandemie in maximalem Umfang andere Authentifizierungswege wie Shibboleth (Anmeldung mit dem Uni-Account) eingeführt hat.
Das Angebot an E-Books [1] konnte durch Corona-Sondermittel der TU Dortmund schon im Sommersemester 2020 deutlich ausgebaut werden. Unterstützt wurde dies durch zusätzliche Angebote vieler Verlage, die vorübergehend elektronische Zugänge zur Verfügung gestellt haben, insgesamt über 600.000 Titel. Manche Zugänge stehen sogar bis 2021 oder darüber hinaus bereit. Die Literaturversorgung an der TU blieb so im Wesentlichen unterbrechungsfrei und wurde stark nachgefragt. Durch ein geändertes Zählverfahren geben die offiziellen Zahlen an E-Book-Zugriffen leider nicht den tatsächlichen Nutzungsanstieg wieder.
2020 | 2019 | |
E-Books | 254.000 | 179.328 |
E-Journals | 68.220 | 50.058 |
Zugriffe auf E-Books | 7.751.720 | 8.220.795 |
Ausleihen gedruckter Bestand | 442.012 | 570.699 |
Flexible Lösungen: Lieferdienste in der Pandemie
Ein Beispiel von vielen für kleine, unbürokratische Lösungen war ein spezieller Lieferdienst für Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler: Wer dringend Literatur, z. B. für den eigenen Handapparat benötigte, bekam diese vor Semesterbeginn unkompliziert an die private Anschrift geschickt. Beim Service hieß es besonders flexibel sein: Noch während die UB im ersten Lockdown für vier Wochen komplett geschlossen war, wurde sehr bald die erste Ausgabe dringend benötigter Medien für Studierende und wissenschaftlich Beschäftigte der TU Dortmund organisiert. Die vorab per E-Mail bestellten Bücher konnten kontaktlos auf dem Parkplatz vor dem Personaleingang der UB abgeholt werden. In der Presse wurde unser Angebot mit den Drive-in-Angeboten von Fast-Food-Ketten verglichen.
Nachdem die Zentralbibliothek am 20. April ausschließlich zur Ausleihe und Rückgabe von Medien wieder öffnen durfte, wurde für die drei weiterhin geschlossenen Bereichsbibliotheken ein Lieferservice eingerichtet. Die gewünschten Medien konnten direkt über Katalog plus bestellt und einen Tag später in der Zentralbibliothek kontaktlos abgeholt und ausgeliehen werden. Von Beginn an wurde diese Möglichkeit viel genutzt und stellte die UB vor die organisatorische Herausforderung, mit dem wenigen Personal, das überhaupt vor Ort sein durfte, die Bereitstellung innerhalb eines Tages zu bewerkstelligen.
Lernen in der Bibliothek
Die TU Dortmund war durch die Pandemie gezwungen, von Präsenzlehre auf digitale Seminare und Vorlesungen umzusteigen. Trotzdem zeigte sich bald, dass viele Studierende nach wie vor auf dem Campus und dort vor allem in der Bibliothek lernen wollten. Die seit vielen Jahren hoch frequentierten knapp 1.300 Arbeitsplätze in der Zentralbibliothek waren auch in Pandemiezeiten weiterhin mehr als gefragt.
Mitte Juni konnten unter strengen Hygieneauflagen auch die heiß begehrten Lernplätze wieder freigegeben werden. Nach dem Start mit 25 Plätzen im Erdgeschoss zeigte sich sehr schnell: Es reicht nicht. In zahlreiche Kommentaren im UB-Blog und in E-Mails an die Bibliothek wünschten sich die Studierenden rasche Erweiterung (ein Beispiel: „25 Plätze zur Verfügung zu stellen, bei ca. 34.000 Studierenden ist leider ein schlechter Witz. Gibt es vllt. eine Warteliste, in der ich mich an tausendster Stelle einschreiben kann, um dann monatelang auf einen Arbeitsplatz zu warten. (Vorsicht Sarkasmus)“.
Schon zwei Wochen später konnte die UB die größte Not beheben und im Erdgeschoss weitere 50 Plätze zur Verfügung stellen. Da die Sicherheit absolute Priorität hatte, wurde das Hygienekonzept sorgfältig in der TU abgestimmt. Die UB war Vorreiterin bei der Registrierung über die TU-App, das System für die An- und Abmeldung wurde dann vom IT & Medien Centrum für die ganze TU umgesetzt. Die gleichzeitig Ende Juni verlängerten Öffnungszeiten blieben für die nächsten vier Monate unverändert, im September wurde aufgrund des dringenden Wunsches der Nutzerinnen und Nutzer allerdings die Platzbuchung angepasst, so dass Plätze nun auch halbe Tage gebucht werden konnten. Ende Oktober wurden die Öffnungszeiten pro Tag und pro Woche erheblich verlängert und es kamen viel mehr Lernplätze dazu – auch im 2. und 3. Obergeschoss. Nach über einem halben Jahr Schließung konnte auch die Emil-Figge-Bibliothek endlich wieder öffnen. Kurz vor Weihnachten mussten mit dem nächsten Lockdown viele Lockerungen wieder zurückgenommen werden und die TU Dortmund ging in vorgezogene Betriebsferien.
Projekte in der Pandemie
Während der Corona-bedingten Einschränkungen hatten die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der TU Dortmund die Auflage, alles, was nicht zwingend vor Ort auf dem Campus getan werden musste, im heimischen Büro zu erledigen. Die Kolleginnen und Kollegen bei Videokonferenzen nur in kleinen Kacheln zu sehen und mit ihnen auf diese Weise alles Notwendige zu besprechen, wurde bald zur gut geübten Routine. Trotz oder gerade wegen der Arbeit zu Hause und der fast ausschließlichen Kommunikation per Telefon und Videokonferenz gelang es der UB, große Projekte nicht nur weiterzuführen, sondern auch voranzutreiben: Im Mai 2021 gehörte sie zu den sechs Hochschulbibliotheken, die als erste das neue, NRW-weite Bibliotheksmanagementsystem einführten. Mit diesem cloudbasierten System ergeben sich für die UB in Zukunft große Potentiale, ihre Dienste effizient und bedarfsgerecht anzubieten. 2020 waren dafür bereits umfangreiche Arbeiten notwendig, um technisch und organisatorisch alles für die Umstellung vorzubereiten.
Viele Beratungs- und Unterstützungsangebote wurden schnell in digitaler Form angeboten. Auch Kurse und Sprechstunden der UB, z. B. zum Literaturverwaltungsprogramm Citavi, oder die Coffee Lectures zum wissenschaftlichen Arbeiten fanden im digitalen Format statt. Die Bauplanungen für das neue zentrale Gebäude der Bibliothek wurden per Videokonferenz fortgeführt.
Auch das RFID-Projekt, bei dem alle Medienbestände der Bibliothek neue Etiketten (Tags) bekommen sollten, nahm 2020 weiter Fahrt auf: Eine groß angelegte Tagging-Aktion wurde ausgeschrieben und vorbereitet, um dann 2021 mitten in der Pandemie in sehr kurzer Zeit durchgeführt zu werden.
Und jetzt? Don’t waste the Crisis
Auch wenn das Ende der Pandemie noch immer nicht abzusehen ist, blickt die UB Dortmund schon in die Zukunft. Natürlich sollen die Lernarbeitsplätze in der Bibliothek wieder in vollem Umfang genutzt werden. Ihre Qualität soll deutlich ausgebaut werden: So soll sobald wie möglich ein MakerSpace eingerichtet werden. Gerade mit Blick auf den Neubau will die UB die Möglichkeiten zum kollaborativen und hybriden Arbeiten erweitern, bei dem digitale Medien und Hilfsmittel vor Ort genutzt werden können.
Viele Dienstleistungen werden in Zukunft hybrid angeboten werden. Auch wenn wir uns sehr darüber freuen, Ihnen bald wieder in viel größerem Umfang persönlich mit Rat und Tat zur Seite stehen zu können, so haben sich in der Pandemie eine große Zahl digitaler Angebote bewährt. Sie werden also in Zukunft noch mehr Wahlmöglichkeiten haben, wie Sie Ihre Bibliothek in Anspruch nehmen können.
Dies gilt natürlich ebenso für Ihre bevorzugte Form des Lesens. Auch wenn elektronische Medien und ihre Nutzung schon vor der Pandemie einen überragenden Anteil an der Literaturversorgung hatten, werden gedruckte Medien weiter gekauft und bereitgestellt werden. Bald werden uns Roboter dabei unterstützen, die Regalordnung aufrecht zu erhalten und verstellte Bücher wieder zu finden. Dennoch wird deutlich, dass die digitalen Medien die optimale Form sind, um einer Universität mit mehr als 40.000 Mitgliedern und Angehörigen die benötigten Bücher, Zeitschriften und Datenbanken bereitzustellen.
Sicherlich hat uns die Pandemie auch gezeigt, wie schnell und flexibel auf Veränderungen reagiert werden muss und wie wichtig es ist, gut vorbereit zu sein. Möglich gemacht haben das die Tatkraft, Besonnenheit und selbstverständliche Zusammenarbeit der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Bibliothek. Das sind sehr gute Voraussetzungen für die vor uns liegenden Aufgaben, denen wir uns bald sehr gerne ohne täglichen Blick auf Infektionszahlen, Verordnungen und überarbeitete Hygienekonzepte widmen wollen.
[1] Unsere E-Books nach Verlagen